Betroffene legen Beschwerde ein

Insgesamt mindestens zehn Geschäftsräume und Privatwohnungen wurden in München am Mittwoch, den 17. Januar 2007 von Polizei und Staatsanwaltschaft durchsucht. Als Begründung wurden angeblich strafbare Inhalte einer veröffentlichte Broschüre, ein Flugblatt sowie ein Beitrag auf einem unabhängigen Internet-Nachrichtenportal zu den Protesten gegen die Münchner „Sicherheitskonferenz“ und das kommende G8-Treffen in Heiligendamm angeführt. Die Betroffenen halten diese Begründungen für haltlos und die Maßnahmen für rechtswidrig und haben Beschwerde gegen die Durchsuchungen eingelegt.

Die Erwähnung von geplanten Blockaden eines Militärflughafens in Rostock als Protest gegen das G8-Treffen wertete die Münchner Staatsanwaltschaft als Aufruf zu Straftaten. Auf der Suche nach den VerfasserInnen dieses Textes wurden die Druckerei Druckwerk GmbH, die Basis Buchhandlung, der Kulturladen Westend, das Lager eines Kurierdienstes, eine Buchbinderei, das Bürgerhaus im ehemaligen Tröpferlbad sowie mindestens vier Privatwohnungen durchsucht. Beschlagnahmt wurden mindestens elf Computer, Datenträger, Druckvorlagen, Buchhaltungsunterlagen sowie in einigen Fällen die verfolgten Veröffentlichungen. Neun Beschuldigte wurden vorläufig festgenommen und im Polizeipräsidium erkennungsdienstlich behandelt.

Die Durchsuchungen begründeten sich auf ein Behauptungen der Polizei, nach der sich die Druckerei, die Buchhandlung sowie die Redaktion des Internetportals durch Druck, Verkauf und Berichterstattung die angeblich strafbaren Inhalte zu eigen gemacht hätten. Desweiteren wird eine als Werbung gekennzeichnete Anzeige des „Netzwerks selbstverwalteter Betriebe“ in der Broschüre als eindeutiger Beweis für die inhaltliche Verantwortung gewertet.

Diese vagen Vermutungen und Behauptungen sahen die verantwortlichen Amtsrichter als ausreichend an, weitreichende Eingriffe in Grundrechte anzuordnen. Der Druckereibetrieb wurde insgesamt acht Stunden lang gründlichst durchsucht und von der Arbeit abgehalten. Während dieser Zeit durften keine Telefonate angenommen worden, Kunden wurden abgewiesen und Hausbewohner durften nur nach Personenkontrolle ihr Anwesen betreten. Die nach Strafprozessordnung vorgeschriebenen unabhängigen Zeugen waren in mindestens zwei Fällen nicht anwesend, Räume wurden in Abwesenheit der Betroffenen durchsucht.

Mal wieder wurde kurz vor den anstehenden Protesten gegen die Münchner „Sicherheitskonferenz“ ein Anlass gesucht, linke Strukturen und Betriebe zu durchleuchten und zu verfolgen. Linke Infrastruktur wie eine Druckerei, eine Buchhandlung, selbstverwaltete Versammlungsräume und eine unabhängige Internet-Nachrichtenseite werden für Inhalte verantwortlich gemacht, obwohl auch jedem einfachen Kripobeamten klar sein sollte, dass eine Druckerei nicht alle Druckwerke selbst verfasst und eine Buchhandlung nicht alle Bücher selbst geschrieben hat. Offensichtlich wird dabei das Ziel der Maßnahmen: Einschüchterung, Durchleuchtung und Kriminalisierung linker oppositioneller Infrastruktur!

Dazu die Pressesprecherin Sarah Lehman: „Münchner Polizei, Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter haben mal wieder einen nichtigen Anlass gesucht und gefunden, linke Infrastruktur zu kriminalisieren und zu durchleuchten. Die Betroffenen werden diese Repressionsversuche nicht hinnehmen. Sie haben angekündigt, sowohl juristisch als auch öffentlichkeitswirksam dagegen vorzugehen. Die Rote Hilfe e.V. erklärt sich solidarisch und wird den Betroffenen sowohl politisch als auch finanziell zur Seite stehen.“

Im Anhang ein Bericht über den Ablauf der Hausdurchsuchung beim Betrieb Druckwerk:

Am Mittwoch, den 17.01.07 begann nachmittags um 16:00 Uhr eine achtstündige Durchsuchung der Räumlichkeiten der druckwerk Druckerei GmbH, in deren Folge die drei GeschäftsführerInnen ins Polizeipräsidium München zur Erkennungsdienstlichen Behandlung gebracht wurden. Sie werden der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten beschuldigt.

Gesucht wurde nach einem Flugblatt mit dem Titel „SIKO & G8 angreifen“ und einer Broschüre mit dem Titel „In Bewegung bleiben“ und nach Hinweisen, die darüber Aufschluss geben, dass diese Publikationen in der Druckerei hergestellt wurden. In den beiden Drucksachen soll zu einer Blockade, bzw. Stürmung des Flughafens Rostock Lage, an dem am 05.06.07 die Teilnehmer des G8 ankommen sollen, aufgerufen worden sein.

In Anwesenheit des Staatsanwaltes wurde zunächst ein angrenzender Raum, der nicht zur Druckerei gehört, durchsucht und anschließend das Büro des druckwerks, die Produktionsräume und eine Garage, die als Lager dient. Die Daten von fünf Computern wurden komplett kopiert, massenweise Datenträger beschlagnahmt, alle Kartons mit für Kunden gelagerten Drucksachen geöffnet, die gesamte Buchhaltung und alle Auftragsordner des letzten und dieses Jahres durchgesehen und zum Teil beschlagnahmt. Für die Durchsuchung dreier randvoller Altpapiercontainer wurde eigens Verstärkung angefordert. Ca. 20 Beamte leerten diese auf dem Hof aus, durchsuchten die Haufen Schnipsel für Schnipsel und stopften anschließend die Papierreste einfach lose in die Garage.

Während der Durchsuchung wurde das Tor zur Straße (die Druckerei befindet sich in einem Rückgebäude) geschlossen und selbst BewohnerInnen des Hauses durften nur nach Ausweiskontrollen den Hof betreten. Kunden des druckwerks, die ihre Drucksachen abholen wollten wurden abgewiesen, den MitarbeiterInnen wurde außerdem verboten, Anrufe entgegen zu nehmen. Auf das „Angebot“ des Staatsanwaltes, dass ein Beamter ans Telefon geht und sich mit „hier spricht die Polizei“ meldet, wurde dankend verzichtet.

Für ca. 2 Stunden, die die GeschäftsführerInnen in der Ettstraße verbrachten, waren die Beamten ohne unabhängige Zeugen „unbeaufsichtigt“ in den Räumen der Druckerei zugange. Die Behauptung der Polizei, dass auf eine Zeugin / einen Zeugen seitens des druckwerks verzichtet worden sei, ist reine Erfindung.

Pressemitteilung der Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe München
Schwanthalerstraße 139
80339 München
muenchen [-at-] rote-hilfe.de

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