Am heutigen Montag, den 22.September fanden vor dem Amtsgericht München zwei Prozesse gegen Antifaschisten statt, denen „Aufruf zu Straftaten“ vorgeworfen wird. In beiden Fällen sollen die Angeklagten dazu aufgerufen haben, am 30.11. einen Naziaufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung zu blockieren. Dieser Aufmarsch wurde von Christian Worch und Martin Wiese angemeldet. Letzterer, sowie weitere Personen aus seinem Umfeld sind kürzlich wegen des Besitzes von mehreren Kilo Sprengstoff verhaftet worden und ganz offensichtlich gab es konkrete Anschlagspläne.

Dem Angeklagten Christian B. legte der Staatsanwalt zur Last, kopierte Stadtpläne der Umgebung des Naziaufmarsches verteilt und so zur Störung aufgefordert zu haben. Die Zeugin, Polizeimeisterin Alexandra K., konnte sich allerdings nicht erinnern, dass der Angeklagte zu einer Blockade aufgerufen hätte. Christian betonte in seiner politische Erklärung: „Wir sagen aber, die Form des Protestes gegen die Nazis war politisch korrekt. Auch wenn wir verurteilt werden sollten, ändert sich daran nichts.“ Er wies auch darauf hin, daß der gesamte Stadtrat wie auch OB Ude sich über die Zivilcourage erfreut zeigten, nun aber diejenigen, die sich den Nazis entgegengestellt haben, stellvertretend in seiner Person verurteilt werden sollen. Christian wurde zu 30 Tagessätzen á 30 Euro verurteilt.

Ähnlich fadenscheinig war der Vorwurf gegen Martin L. Er erklärte auf der Protestkundgebung am Odeonsplatz, daß er nach Ende der Kundgebung die Nazi-Gegner durch seine Präsenz am Goetheplatz unterstützen wolle und betonte im Folgenden sogar, daß jeder seine eigene Entscheidung treffen müsse, was zu tun ist. Auch in diesem Fall kann keine Rede von einem Aufruf zur Blockade sein. Als ehemaliger KZ-Häftling erlebte Martin Aufstieg und Machtübernahme der Nazis und hat auch noch sehr gut in Erinnerung, daß viel zu wenige Menschen sich den Nazis damals entgegen gestellt haben. Martin: „Die Nazi-Diktatur war nicht über Deutschland hereingebrochen, sie war keine unverhinderbare Katastrophe, sie ist von Menschen gemacht worden und kann auch daher von Menschen verhindert werden.“ Diese Lehre aus der Geschichte habe sich im Grundgesetz niedergeschlagen, das weit höher zu bewerten sei, als die Versammlungsfreiheit von Neonazis. Auch in diesem Fall befand der Richter den Angeklagten für schuldig.

Paula Schreiber von der Roten Hilfe e.V., Ortsgruppe München: “Der Staatsanwalt Hoffmann verteidigte in beiden Prozessen das Versammlungsrecht der Nazis. Beide Angeklagten betonten zu Recht, das persönliche Engagement gegen alte und neue Nazis sei angesichts der Untätigkeit der Ermittlungsbehörden gegenüber Rechtsextremisten notwendiger denn je. Empört nahmen die zahlreichen Prozeßteilnehmer das Schlußwort des Staatsanwalts zur Kenntnis: `Wenn der Angeklagte ausführt, daß eine Verurteilung seiner Person den Rechten den Rücken stärke, so hat er durchaus Recht – nur hätte er sich das eben vorher überlegen müssen.“

Verteidigerin Angelika Lex: „Ich schäme mich heute hier zu stehen und diesen Mann verteidigen zu müssen.“ Sie forderte vergeblich in beiden Fällen Freispruch.

Während die Staatsanwaltschaft und das Gericht die Zivilcourage und das bloße Verteilen von Stadtplänen als Straftat wertet, sind sie nicht willens gegen unverhohlen offene nationalsozialistische Propaganda vorzugehen. Oder gehört nach Meinung dieser Herren zur „Meinungsfreiheit“ das Tragen von Transparenten mit der Aufschrift `National Sozialismus`?“

Paula Schreiber: „Diese Urteile sind empörend und nicht hinzunehmen. Die Rote Hilfe wird auch in Zukunft alle Antifaschistinnen und Antifaschisten, die wegen ihres Widerstands von der Staatsgewalt kriminalisiert werden, mit allen Kräften unterstützen.“

Der nächste Prozeß in diesem Zusammenhang findet gegen den Stadtrat Sigi Benker am 6. Oktober, 10 Uhr im Raum A 219 im Justizzentrum in der Nymphenburgerstr. statt.

Mit freundlichen Grüßen,

Paula Schreiber
Rote Hilfe e.V.
Ortsgruppe München

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