Bundesverfassungsgericht erklärt Hausdurchsuchung gegen die ROTE HILFE für verfassungswidrig; Münchener Polizei ist bekannt für rechtswidrige Durchsuchungen
Am 8. Dezember 2004 hatte die Polizei und Staatsanwaltschaft München unter einem billigen Vorwand die Räume der Ortsgruppe München der "Roten Hilfe e.V.", des GNN-Verlags in München und die Wohnungen von vier Privatpersonen in München und Hamburg zeitgleich durchsucht. In Hamburg wurde die Wohnung eines ehemaligen Rote-Hilfe-Vorstands in seiner Abwesenheit gewaltsam aufgebrochen, beim GNN-Verlag wurden Computer und Unterlagen beschlagnahmt, wodurch die Verlagsarbeit zeitweise lahm gelegt war. Jetzt hat am 13. November 2005 das Bundesverfassungsgericht auf Antrag des Hamburger Ex-Vorständlers in einem Beschluss (Aktenzeichen: 2 BvR 728/05 und 2 BvR 758/05) festgestellt: "Die Stärke des Tatverdachts stand außer Verhältnis zur Schwere des mit der Durchsuchung verbundenen Grundrechtseingriffs"; das Gericht spricht von "vagen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen" und davon, dass die Durchsuchungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, "wenn sich sachlich zureichende, plausible Gründe für eine Durchführung der Durchsuchung nicht mehr finden lassen".
Was war geschehen: Ein unbekannt gebliebener Täter hatte über "eBay" eine gefälschte Markenuhr versteigert und gegenüber "eBay" als seine Bankverbindung die öffentlich bekannte Kontonummer der Ortsgruppe München angegeben, die er wohl von einem Flugblatt der Roten Hilfe abgeschrieben hatte. Die Münchener Polizei forderte daraufhin von der Postbank die Kontounterlagen an und musste feststellen, dass in keinem einzigen Fall dieses Konto tatsächlich für "eBay"-Versteigerungen benutzt worden war. Trotz dieser eindeutigen Sachlage veranlasste der Münchener Kriminalhauptkommissar Zagler Durchsuchungsbeschlüsse für die Vereinsräume (die teilweise mit der Adresse des GNN-Verlags identisch sind) und die Wohnungen der Kontobevollmächtigten und des Vorstandsmitglieds, das für die Kontoeröffnung verantwortlich gezeichnet hatte. Dies begründete er in einem der Roten Hilfe vorliegenden Aktenvermerk vom 12. Juli 2004 ausdrücklich u.a. mit dem Satz: Diese Personen seien "nach polizeilichen Erkenntnissen Mitglieder des politisch linksgerichteten Vereins 'Rote Hilfe e.V.'".
Nachdem die Durchsuchungen (selbstverständlich) keinerlei Anhaltspunkte dafür erbracht hatten, die Rote Hilfe, deren Vereinszweck die Unterstützung politisch Verfolgter ist, habe mit gefälschten Uhren gehandelt, wurde das Verfahren gegen alle Beteiligten am 20. April 2005 "mangels Tatverdacht" eingestellt. Welche "polizeilichen Erkenntnisse" über die Rote Hilfe, die Vereinsmitglieder und den GNN-Verlag vorher aus den beschlagnahmten Computern und Unterlagen gewonnen wurden, ist nicht bekannt. Eine Strafanzeige gegen den (offenbar "politisch rechtsgerichteten") Kriminalhauptkommissar Zagler wurde von der Staatsanwaltschaft und dem Generalstaatsanwalt in München zurückgewiesen, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn läuft noch. Amtsgericht und Landgericht München haben die Beschwerden gegen die Durchsuchung abgewiesen, wogegen die Hamburger Rechtsanwältin Britta Eder Verfassungsbeschwerde einlegte. Das Verfassungsgericht erklärte die Durchsuchung und die abweisenden Gerichtsbeschlüsse daraufhin für rechtswidrig und legte die Kosten des Verfahrens dem Freistaat Bayern zur Last.
"In diesem Fall waren die Vorwürfe gegen die Rote Hilfe derart haltlos und ohne jede Rechtsgrundlage eindeutig nur politisch motiviert, dass sogar der Staat selbst nicht anders konnte, als 'zurück zu rudern'", erklärte eine Sprecherin der Roten Hilfe gegenüber der Presse. "Trotz dieses Erfolges sollte sich niemand Illusionen darüber machen, politische Angriffe des Staates auf die Linke seien 'auf dem Rechtsweg' abzuwehren, dagegen hilft nur die politische Solidarität! Der ungebrochene Wille gerade auch der Münchener Verfolgungsbehörden, mittels rechtswidriger Hausdurchsuchungen aufgrund an den Haaren herbeigezogener angeblicher Vorwürfe linke Strukturen auszuforschen und zu behindern, zeigt sich an dem Vorgehen gegen den Münchener Journalisten Dr. Nikolaus Brauns, dessen Wohnung ohne Durchsuchungsbeschluss am 3. Juni 2005 durchsucht wurde, weil er über ein Nazitreffen berichtet hatte", so die Rote Hilfe weiter;
Informationen zur Solidarität mit Dr. Nikolaus Brauns erteilt die Ortsgruppe München der Roten Hilfe.
Rote Hilfe Hamburg